Kampf den plötzlichen Herztod

Drei Stromstöße, die Leben retten können

Jährlich sterben über 130.000 Mitbürger den plötzlichen Herztod. Das sind mehr als 350 Menschen pro Tag. Damit ist dies die häufigste außerklinische Todesursache in Deutschland. Doch das muß nicht sein. Ein kompaktes High Tech Gerät, klein und einfach zu bedienen, kann Leben retten: Der „Automatische Externer Defibrillator“ (AED). Er ermöglicht sogar medizinischen Laien eine wirkungsvolle Reanimation. Entscheidend ist nur, dass man ihn schnell erreicht und man sich traut, ihn einzusetzen. Die überwiegende Mehrzahl aller Patienten mit plötzlichem Herztod weisen Kammerflimmern auf. „Dies ist eine bösartige Herz-Rhythmusstörung“, erklärt Dr. Christian Pawlak, Leiter des Notarztdienstes Tegernseer Tal im oberbayerischen Landkreis Miesbach südlich von München. Statt der koordinierten Kontraktion entladen sich die einzelnen Muskelzellen des Herzens völlig unkontrolliert. Die Folge ist, dass das Herz kein Blut mehr pumpt und die Zellen selbst nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden. Der „plötzliche Herztod“ tritt ein.

An die 15 Prozent aller Todesfälle in Deutschland, schätzt Dr. Pawlak, werden durch Kammerflimmern ausgelöst. Doch bis der Rettungsdienst eintrifft, ist ohne Reanimation das Kammerflimmern nicht selten in eine Asystolie übergegangen. Die einzig wirksame Reanimation ist die Defibrillation. Je früher sie erfolgt, desto größer ist die Chance des Überlebens ohne bleibende körperliche Schäden. Jede Minute ohne wirksame Wiederbelebung reduziert die Chance um 10 Prozent. Selbst wenn schon beispielsweise nach acht Minuten der Notarzt erscheint, kann ist es zu spät sein. Bei 75 Prozent liegt die Überlebenschance, wenn innerhalb von drei Minuten reanimiert wird. Spätestens nach fünf Minuten treten die ersten irreparablen Hirnschäden ein. Nach acht bis zehn Minuten ohne Reanimation ist der Patient in der Regel tot. Kein ängstliches Warten auf den Notarzt Kammerflimmern muss defibrilliert werden.

Das kann jeder!

Mit dem AED kann dies jeder medizinische Laie, notfalls auch ohne, dass ihm das Gerät zuvor erklärt wurde. Das ängstliche Warten auf den Rettungswagen kann somit mit gezielter Reanimation überbrückt werden. Dr. Pawlak: „Wer bis drei zählen kann, ist in der Lage, den Defi zu bedienen: Wenn der Deckel geöffnet wird, schaltet sich das Gerät automatisch ein. Oben auf liegen die Elektroden. Es ist genau beschrieben, wo und wie diese an dem Oberkörper des Patienten angebracht werden müssen. Dann spricht das Gerät mit dem Anwender und erteilt die Anweisungen.

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Zunächst misst der Defi die Herztätigkeit. Liegt ein Kammerflimmern vor – und auch wirklich nur dann – wird ein Schalter aktiviert und der Helfer bekommt von dem Gerät die Anweisung, diesen Schalter zu drücken. Daraufhin gibt der Defi einen kurzen Stromstoß ab, durch den sich das Herz zusammen zieht. Dies ist die Chance, dass das Organ wieder regelmäßig zu schlagen beginnt und seine Pumptätigkeit wieder aufnimmt. Gegebenenfalls muss dieser Vorgang bis zu drei Mal Vorgang wiederholt werden, was das Gerät dann mitteilt. Auch wenn der Patient in Ruhe gelassen werden soll bis der Notarzt eintrifft, sagt dies das Gerät. War die Defibrillation erfolgreich, wird der Patient wieder einen tastbaren Puls haben. Dieser minimale Aufwand ist ausreichend, um ein Leben zu retten.

Der einzige Fehler: Keinen Defi einsetzen!

Missbrauch oder fälschliche Anwendung sind nicht möglich, da der elektrische Schock nicht ausgelöst wird, wenn das Gerät kein Kammerflimmern feststellt. „Den einzigen Fehler den man machen kann“, betont Notarzt Dr. Pawlak, „ist es, das Gerät nicht einzusetzen.“

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Rechtzeitiger Zugriff ist entscheidend

Entscheidend ist jedoch, dass im Notfall rechtzeitig auf einen AED zugegriffen werden kann. Und dies ist oft nicht der Fall, denn die Zahl der öffentlich zugängigen Defibrillatoren ist noch sehr gering. Doch in den letzten Jahren wird hier mehr und mehr Abhilfe geschaffen. In vielen U-Bahn-Stationen hängen bereits moderne Defibrillatoren, ebenso an den Stationen von Bergbahnen. Auch der Frankfurter Flughafen wurde kürzlich mit den Lebensrettern ausgestattet. Ein Durchbruch könnte jedoch erreicht werden, wenn im Rahmen von „Public Private Partnership“ Privatpersonen und Unternehmen, zusammen mit den Herstellern der Geräte und entsprechenden Vereinen, ihre nähere Umgebung mit Defibrillatoren ausstatten. Zwar ersetzt die Defibrillation durch Laien nicht die Aufgaben des Rettungsdienstes. Sie verkürzt aber die Zeitspanne zwischen Auftreten des Kammerflimmerns und einer Defibrillation durch den Notarzt und erhöht dadurch die Überlebenschancen drastisch.

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Rund um den Tegernsee, von Rottach-Egern bis Gmund, hat jetzt Dr. Pawlak mit dem Notarztförderverein Tegernseer Tal-Waakirchen e. V., den Bürgermeistern der Talgemeinden, der zuständigen Kreissparkasse und der Björn-Steiger-Stiftung ein Projekt gestartet, das möglichst viele Nachahmer finden soll. Sieben SB-Bereiche der Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee wurden Anfang Juni 2004 mit Defibrillatoren und Notfalltelefonen ausgestattet. Zudem werden alle Sparkassenmitarbeiter der entsprechenden Geschäftsstellen im Umgang mit den Defibrillatoren von Dr. Pawlak geschult.

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Die Kosten teilen sich der Notarztförderverein, die Björn-Steiger-Stiftung und die entsprechenden Gemeinden, in denen die Defis angebracht sind. Die Kreissparkasse stellt die Räumlichkeiten zur Verfügung und finanzierte die Anbringung der Geräte und Notfalltelefone sowie deren laufenden Anschlusskosten.

Sparkassen-SB-Stellen als Defi-Standorte

Als Ende 2003 die Idee für das Projekt geboren wurde, dachte man zunächst daran, die Defibrillatoren in Rathäusern oder den Tourist-Informationen anzubringen, so Anton Hartl, Vorsitzender des Notarztfördervereins, der zusammen mit Dr. Pawlak das PPP-Projekt mit der Sparkasse und den Gemeinden initiierte. Doch gerade nachts sind diese Gebäude nicht zugängig, die Defibrillatoren also nicht erreichbar. Ein schrecklicher Gedanke, vor verschlossener Tür zu stehen, während ein Mensch stirbt.

Deshalb kam Hartl, selber ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Tegernsee, auf die Idee die Geräte in den sieben Selbstbedienungsbereichen der Kreissparkasse um den Tegernsee, anbringen zu lassen.

„Unsere Selbstbedienungsbereiche eignen sich hervorragend als Standort für die Defibrillatoren“, so auch Sparkassen-Vorstandsmitglied Horst Leckner anlässlich der Installation des ersten Gerätes in der Sparkassen-Geschäftsstelle Bad Wiessee. Die Lebensretter hängen in rund um die Uhr zugängigen, aber geschützten Räumen, die zudem von Videokameras überwacht werden. Es ist bereits daran gedacht, mit weiteren Partnern in anderen Teilen des Landkreises die SB-Stellen der Kreissparkasse als Defi-Standort zu nutzen.

Das Logo für einen Defi-Standort:

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Leckner wertete diese Aktion insbesondere auch als Steigerung der Attraktivität des Landkreises. „Diese flächendeckende Ausstattung des Tegernseer Tals mit Defibrillatoren ist ein Plus an Sicherheit und Service, von dem jeder profitiert. Denn es ist eine weit verbreitete aber falsche Meinung, dass vom plötzlichen Herztod nur alte Menschen betroffen sind.

Es geht um Menschen jeder Altersgruppe, wie auch die Björn-Steiger-Stiftung betont, die sich stark für die Verbreitung von Defibrillatoren einsetzt: „Es geht um Leistungssportler, Manager, um Arbeiter und Angestellte, auch Ärzte sind davon nicht ausgenommen. Es geht um Männer und Frauen, um Jugendliche und um Kinder, ja sogar um Kleinkinder. Jeder von uns kann schon morgen in der gleichen Situation auf Hilfe angewiesen sein. 350 am Tag“.

Peter Sieben